Grundlagen

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Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes

Ziele und Elemente der Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes

Eine grundlegende Verpflichtung und Aufgabe von Arbeitgebern besteht nach § 3 (2) ArbSchG (vgl. auch § 2 (3) DGUV Vorschrift 1) darin, Sicherheit und Gesundheitsschutz betrieblich zu organisieren.

Ziel der betrieblichen Organisation des Arbeitsschutzes ist es, Arbeitsunfälle und arbeitsbedingte Erkrankungen zu verhüten sowie Arbeitsbedingungen menschengerecht zu gestalten.

Um dies zu erreichen, werden betriebliche Strukturen und Prozesse benötigt. Konkret fordert das ArbSchG von den Arbeitgebern, dass eingebunden in die betrieblichen Führungsstrukturen Vorkehrungen getroffen werden, damit die Beschäftigten alle festgelegten Arbeitsschutzmaßnahmen beachten und ihrer Mitwirkungspflicht nachkommen können.
Zur betrieblichen Organisation von Sicherheit und Gesundheitsschutz gehören also wie für andere betriebliche Aufgaben Elemente sowohl der Aufbau- als auch der Ablauforganisation.

Welche Elemente dies sind, ist in einer Reihe von Vorschriften und Regeln festgelegt. Eine Konkretisierung und Zusammenfassung der Anforderungen an eine betriebliche Arbeitsschutzorganisation enthält der GDA-ORGAcheck [5].

Die Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes muss danach Folgendes umfassen und sicherstellen:

  1. Verantwortung und Aufgabenübertragung
  2. Überwachung der Einhaltung der übertragenen Pflichten und Kontrolle der Aufgabenerledigung
  3. Erfüllung der Organisationspflichten aus dem ASiG (→ Bestellung und Betreuung durch Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärztinnen/Betriebsärzte, Arbeitsschutzausschuss)
  4. Sicherstellung notwendiger Qualifikationen für den Arbeitsschutz bei Führungskräften, Funktionsträgern und Beschäftigten mit bestimmten Aufgaben
  5. Organisation der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung
  6. Geeignete Regelungen für die Durchführung und Dokumentation von Unterweisungen
  7. Umgang mit behördlichen Auflagen, z. B. Genehmigungen, Erlaubnissen, Besichtigungsschreiben
  8. Handhabung der Rechtsvorschriften sowie des technischen und betrieblichen Regelwerks, insbesondere bei Änderungen der Rechtsvorschriften
  9. Einbeziehung der besonderen Funktionsträger und -trägerinnen
  10. Kommunikation des Arbeitsschutzes
  11. Organisation der arbeitsmedizinischen Vorsorge
  12. Regelungen zur Planung und Beschaffung
  13. Information und Einbindung von Fremdfirmen
  14. Integration von zeitlich befristeten Beschäftigten (z. B. Zeitarbeitnehmende, Praktikantinnen/Praktikanten)
  15. Organisation von Notfallmaßnahmen/Erste Hilfe

Zusammenhang von betrieblicher Organisation und Gefährdungsbeurteilung

Die Gefährdungsbeurteilung ist in dreierlei Hinsicht Teil der betrieblichen Aufbau- und Ablauforganisation.

Die Planung und ein Gesamtkonzept für die Gefährdungsbeurteilung müssen in die betriebliche Aufbauorganisation integriert und entsprechende Strukturen geschaffen werden. Hierzu müssen Verantwortlichkeiten festgelegt werden, erforderliche zeitliche, sachliche und ggf. finanzielle Ressourcen für die Ermittlung und Beurteilung von Gefährdungen bereitgestellt werden, notwendige Qualifikationen bei den Beteiligten sichergestellt werden, die Zusammenarbeit mit den betrieblichen Arbeitsschutzfachleuten – Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärzte – festgelegt werden und geeignete Formen zur Beteiligung der Beschäftigten an der Durchführung der Beurteilung implementiert werden.

Darüber hinaus ist die Gefährdungsbeurteilung ein Element der Ablauforganisation. Es sind geeignete Prozesse zu organisieren, um bei allen betrieblichen Entscheidungen und Abläufen Anlässe bzw. Auslöser für eine Gefährdungsbeurteilung identifizieren zu können. Aspekte der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes sind insbesondere in Entscheidungen zu Planungs- und Beschaffungsprozessen, zu Veränderungen von Arbeitssystemen und zu Maßnahmen nach Ereignissen wie Unfällen und Störungen zu integrieren.

Weiterhin leiten sich aus der Gefährdungsbeurteilung Maßnahmen zur Anpassung und Verbesserung der betrieblichen Organisation des Arbeitsschutzes ab. Ergebnisse und Erkenntnisse aus der Gefährdungsbeurteilung ermöglichen Rückschlüsse auf die Funktionsfähigkeit der Organisation von Sicherheit und Gesundheitsschutz. Oftmals liegen Ursachen für Gefährdungen und gesundheitliche Risiken nicht in den konkreten Arbeitsbedingungen vor Ort, sondern in der betrieblichen Organisation und innerbetrieblichen Kommunikation.

Fördernde Einflüsse der betrieblichen Organisation auf die Umsetzung der Gefährdungsbeurteilung

Die Umsetzung von betrieblichen Maßnahmen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes findet in einem dynamischen wirtschaftlichen und sozialen Kontext statt. Hier wirken als Bestandteile der betrieblichen Präventionskultur eine Vielzahl von Faktoren wie z. B. die innerbetrieblichen Strukturen, Prozesse und Programme sowie die Alltagspraxis zusammen. All diese Faktoren können prinzipiell Einfluss nehmen auf die Qualität der Gefährdungsbeurteilung und die damit angestrebte kontinuierliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen.

Organisationsstruktur

Ergebnisse einer systemischen Aufbereitung von Reviews und Metaanalysen von Interventionsstudien aus dem Bereich des Arbeitsschutzes und der betrieblichen Gesundheitsförderung [6] sowie Sekundärdatenanalysen von Betriebs- und Beschäftigtenbefragungen zu Sicherheit und Gesundheit [7] verweisen übereinstimmend darauf, dass klare Festlegungen von Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten und Befugnissen die Umsetzung des betrieblichen Arbeitsschutzes unterstützen.

Darüber hinaus wirken sich vorhandene betriebliche Strukturen für den Arbeitsschutz und insbesondere eine vollständige sicherheitstechnische und betriebsärztliche Betreuung positiv auf die Durchführung und Qualität von Gefährdungsbeurteilungen aus.
Die Schulung von Führungskräften zu Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit sowie das Vorhandensein einer Beschäftigtenvertretung bzw. ganz generell die Partizipationsmöglichkeiten von Beschäftigten an betrieblichen Entscheidungsprozessen wirken sich ebenfalls unterstützend auf die Umsetzung von Gefährdungsbeurteilungen aus.

Weiterhin erhöht sich die Wahrscheinlichkeit und die Qualität von Gefährdungsbeurteilungen, wenn betriebliche Entscheidungsprozesse dem PDCA-Zyklus (Plan – Do – Check – Act; Planen – Umsetzen – Überprüfen – Handeln) folgen. Das Vorhandensein eines Managementsystems im Betrieb hat ebenfalls einen positiven Einfluss auf die Umsetzung von Gefährdungsbeurteilungen.

Präventionskultur

Für die Ausgestaltung des betrieblichen Arbeitsschutzes und die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung ist nicht nur das Vorhandensein von entsprechenden Strukturen und Prozessen entscheidend. Betriebsleitung, Führungskräfte, Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Betriebsärzte und Beschäftigtenvertretungen haben vielmehr entscheidenden Einfluss auf die betriebliche Präventionskultur. Sie prägen die betriebliche Einschätzung zur Beherrschbarkeit von Risiken, die Vorstellung davon, was die wirklich relevanten Gefährdungen sind und wie die "richtigen" Strategien aussehen, ihnen zu begegnen.

Das Muster grundlegender sicherheits- und gesundheitsbezogener Annahmen und Werte der betrieblichen Führungs- und Fachkräfte gibt im Betrieb den präventiven Orientierungsrahmen vor. Dieser bestimmt nicht nur, ob der Betrieb im Arbeitsschutz aktiv wird, sondern wie der Arbeitsschutz ganz allgemein und die Gefährdungsbeurteilung im Besonderen im Betrieb organisiert und umgesetzt werden.

Die Präventionskultur beeinflusst also die betriebliche Organisationstruktur und die betrieblichen Arbeitsschutzmaßnahmen.

Welche Präventionskultur in einem Betrieb vorherrscht und welche Ansatzpunkte sich daraus für die Gefährdungsbeurteilung und kontinuierliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen ergeben, dazu liefert das BAuA-Schnelldiagnose-Tool "Präventionskultur" [8] eine erste Einordnung.

Dieses Schnelldiagnose-Tool basiert auf den im Rahmen des BAuA-Forschungsprojektes "Formen von Präventionskultur in deutschen Betrieben" herausgearbeiteten fünf typischen Orientierungsmustern, die als Formen von Präventionskultur entlang dreier Merkmale beschrieben wurden.

Die jeweilige Ausprägung dieser Merkmale kann sich hemmend oder fördernd auf die Ausgestaltung des betrieblichen Arbeitsschutzes auswirken.

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