Ionisierende Strahlung und Strahlenschutz

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Ermittlung und Beurteilung

Strahlenexposition und Dosis

Zur Bemessung der Wirkung von Strahlung dient der Begriff der Dosis. Strahlung überträgt – wie bereits beschrieben – Energie. Deshalb bemisst man die Strahlungsdosis an der Energiemenge (Maßeinheit: Joule), die durch die Strahlung an eine bestimmte Materiemenge (Maßeinheit: Kilogramm) abgegeben wird. Die Dosis wird in diesem Zusammenhang als Energiedosis bezeichnet. Die Maßeinheit der Energiedosis ist das Gray; Kurzzeichen Gy. Ein Gray entspricht dabei einem Joule pro Kilogramm (1 Gy = 1 J/kg).

Trifft ionisierende Strahlung auf den menschlichen Körper, erfolgt eine Strahlenexposition. Das bedeutet, dass die Strahlung mit dem Körpergewebe in Wechselwirkung tritt und in unterschiedlichem Maße absorbiert wird. Auch die „Menge“ der vom Körper aufgenommenen Strahlung wird durch die Angabe einer Dosis ausgedrückt. Verschiedene Strahlungsarten verursachen im Körpergewebe jedoch unterschiedlich starke biologische Wirkungen. Wird z. B. ein Gewebe einer Exposition ausgesetzt, die bei gleicher Energiedosis einmal von Alphastrahlung und ein anderes Mal von Betastrahlung herrührt, ist die biologische Wirkung der Alphastrahlung etwa 20-mal größer. Mit der Angabe allein der Energiedosis kann demzufolge die biologische Wirkung der Strahlung im menschlichen Körper nicht ausreichend beschrieben werden.

Die Energiedosis wird deshalb mithilfe sog. Strahlungs-Wichtungsfaktoren präzisiert, die die biologischen Unterschiede der Strahlungswirkung berücksichtigen. Die Zahlenwerte dieser Faktoren für die verschiedenen Strahlungsarten sind dabei so ausgewählt, dass sie ein Maß für deren biologische Wirksamkeit bei niedrigen Dosen darstellen. Der Wichtungsfaktor für Strahlung mit geringer Ionisationsdichte in Gewebe, wie Röntgen-, Gamma- und Betastrahlung, wird mit 1 angenommen. Für Strahlung mit hoher Ionisationsdichte, wie Alpha- und Neutronenstrahlung, nimmt er höhere Werte an. Die Dosis, die die biologische Wirksamkeit der Strahlung „gewichtet“, wird als Äquivalentdosis bezeichnet. Man erhält sie durch Multiplikation der Energiedosis, angegeben in Gray (Gy) mit dem Strahlungs-Wichtungsfaktor. Die Maßeinheit der Äquivalentdosis ist das Sievert (Kurzzeichen: Sv).

Tab. 6.6-1 Strahlung-Wichtungsfaktoren für verschiedene Arten ionisierender Strahlung [StrlSchV 18]

Tabelle 6.6-1 Strahlung-Wichtungsfaktoren für verschiedene Arten ionisierender Strahlung [StrlSchV 18]

Strahlungswirkungen werden eingeteilt in deterministische Wirkungen, die bei einer Exposition oberhalb bestimmter Dosisschwellenwerte eintreten, und stochastische Wirkungen, die nach Ablauf einer längeren Latenzzeit mit einer bestimmten, dosisabhängigen Wahrscheinlichkeit auftreten können. (Im Abschnitt „Wirkung ionisierender Strahlung“ wird darauf näher eingegangen.)

Die Wahrscheinlichkeit, mit der im niedrigen Dosisbereich stochastische Wirkungen ausgelöst werden, ist bei gleicher Äquivalentdosis für die verschiedenen Organe und Gewebe unterschiedlich. Die Haut des Menschen ist z. B. weit weniger empfindlich gegenüber einer Strahlenexposition als verschiedene innere Organe. Um diese Unterschiede zu berücksichtigen, wird durch die Bestimmung einer effektiven Dosis das Risiko für das Auftreten möglicher stochastischer Wirkungen bei Exposition einzelner Organe und Gewebe oder des gesamten Körpers bewertet. Die Organdosen der exponierten Organe und Gewebe werden dazu mit Gewebe-Wichtungsfaktoren multipliziert, die ein Maß für den Beitrag des exponierten Organs zum Schadensrisiko des gesamten Körpers darstellen.

Tab. 6.6-2 Gewebe-Wichtungsfaktoren für verschiedene Organe und Gewebe [nach StrlSchV 18]
Organ und GewebeFaktor
Knochenmark (rot)0,12
Dickdarm0,12
Lunge0,12
Magen0,12
Brust0,12
Keimdrüsen0,08
Blase0,04
Speiseröhre0,04
Leber0,04
Schilddrüse0,04
Haut0,01
Knochenoberfläche0,01
Gehirn0,01
Speicheldrüse0,01
Andere  Organe und Gewebe0,12

Die Summe der derart gewichteten Organdosen ist die effektive Dosis. Eine gleichmäßige Exposition des ganzen Körpers oder eine Exposition einzelner Organe und Gewebe ergeben das gleiche stochastische Risiko, wenn die effektiven Dosen übereinstimmen. Die effektive Dosis wird ebenfalls in Sievert (Sv) angegeben.

Organdosis und effektive Dosis sind Größen, die nur im Strahlenschutz und unterhalb der Schwellenwerte für deterministische Wirkungen verwendet werden. Da diese Schutzgrößen nicht direkt gemessen werden können, definiert der Strahlenschutz eine Äquivalentdosis (gemessen an einer repräsentativen Stelle des Oberkörpers einer Person) als Messgröße.

Bezieht man die Dosis auf eine bestimmte Zeiteinheit, spricht man von der Dosisleistung. Die Dosisleistung wird in der Regel auf eine Stunde bezogen und z. B. in Gray oder Sievert pro Stunde (Gy/h; Sv/h) angegeben.

Organdosis und effektive Dosis werden als Körperdosen bezeichnet. Bei beruflich strahlenexponierten Personen ist die effektive Dosis pro Jahr auf 20 mSv beschränkt. Wenn die gemessenen Äquivalenzdosen unterhalb der Grenzwerte liegen sind auch die Schutzgrößen im zulässigen Bereich.

Tab. 6.6-3 Größenordnungen: Im Strahlenschutz werden häufig Größen (wie Dosis, Aktivität) verwendet, deren Werte sich um sehr viele Größenordnungen unterscheiden
Vielfaches/BruchteilGrößenordnungmathematisches Zeichen
109 = 1 000 000 000MilliardeG = Giga
106 =        1 000 000MillionM = Mega
103 =               1 000Tausendk = Kilo
100 =                      1  
10-3 =                     0,0011 Tausendstelm = Milli
10-6 =                     0,000 0011 Millionstelµ = Mikro
10-9 =                     0,000 000 0011 Milliardsteln = Nano

Natürliche Strahlenquellen

Wie alle Materie dieser Welt sind auch wir Menschen immer und überall ionisierender Strahlung ausgesetzt. Die Ursache dafür sind natürliche Strahlenquellen, die unabhängig vom Menschen entstanden sind und existieren. Sie sind damit Bestandteil unseres täglichen Lebens und sind gegenwärtig, wo immer wir uns befinden.

Aus der Sonne und den Tiefen des Weltalls gelangt kosmische Strahlung auf die Erde. Sie besteht im Wesentlichen aus energiereichen Teilchen und aus Gammastrahlung. Auf ihrem Weg durch die Lufthülle wird die kosmische Strahlung teilweise absorbiert. Das bedeutet, dass die Dosisleistung der kosmischen Strahlung von der Höhenlage abhängt. Sie ist auf Meeresniveau am niedrigsten und beträgt hier ca. 32 nGy/h. Mit der Höhe nimmt die Dosisleistung der kosmischen Strahlung zu und ist z. B. auf der Zugspitze viermal höher als an der Küste. Im Durchschnitt führt die kosmische Strahlung in Deutschland zu einer effektiven Dosis von ca. 0,3 mSv/a.

Mit der Entstehung der Materie, aus der die Erde gebildet wurde, entstanden auch zahlreiche Radionuklide. Von diesen sind heute nur noch die Radionuklide vorhanden, deren Halbwertszeit in der Größenordnung des geschätzten Alters der Erde liegt.

Tab. 6.6-4     Halbwertszeit einiger natürlicher radioaktiver Nuklide [BfS 08]
ElementHalbwertszeit
Thorium-23214 Milliarden Jahre
Uran-235700 Millionen Jahre
Kalium-401,3 Milliarden Jahre
Uran-2384,4 Milliarden Jahre

Diese natürlichen Radionuklide und deren Zerfallsprodukte sind in unterschiedlichen Konzentrationen in den Böden und Gesteinen der Erdkruste vorhanden; die von ihnen ausgehende Strahlung wird deshalb als terrestrische Strahlung bezeichnet. Die wichtigsten Elemente, die einen Beitrag zur terrestrischen Strahlung leisten, sind Kalium, Uran mit seinem Zerfallsprodukt Radium und in bestimmten Regionen Thorium.

Während im Flachland Norddeutschlands Dosisleistungen im Bereich von 40 bis 70 nSv/h vorherrschen, kann das Niveau der terrestrischen Strahlung in Gebirgsregionen mit Granitformationen, die einen erhöhten Gehalt an Uran und Radium aufweisen, Werte bis 180 nSv/h und lokal darüber erreichen. Der Mittelwert der effektiven Dosis durch terrestrische Strahlung für die Bevölkerung in Deutschland liegt bei ca. 0,3 mSv/a.

Tab. 6.6-5 Zerfallsreihe von Uran-238. Links steht die Ordnungszahl, unter dem Nuklid dessen Halbwertszeit und die Art der auftretenden Strahlung (Quelle: Autor)

Tab. 6.6-5 Zerfallsreihe von Uran-238. Links steht die Ordnungszahl, unter dem Nuklid dessen Halbwertszeit und die Art der auftretenden Strahlung (Quelle: Autor)

Tab. 6.6-6     Typische Werte für die spezifische Aktivität verschiedener Bodenarten in Bq/kg Trockenmasse [BMU 00]
BodenartK-40Th-232U-238
 spez. Aktivität (Bq/kg)
Fahlerde6505035
Schwarzerde4004020
Bleicherde150107
Moorboden10077
Tab. 6.6-7     Natürliche radioaktive Stoffe in Gewässern [BMU 00]
KompartimentRadionuklidWertebereich
  Aktivitätskonzentration (mBq/l)
GrundwasserK-4011 – 15 000
 U-2381 – 200
 Ra-226< 4 – 400
 Rn-222 (mit Folgeprodukten)2 000 – 1 500 000
 Th-2320,4 – 70
OberflächenwasserK-4040 – 2 000
 U238< 2 – 40
 Th-232< 0,04 – 0,04

Aus dem Boden gelangen die natürlichen Radionuklide in Wasser, Pflanzen und Tiere und damit in die Nahrung des Menschen. Alle unsere pflanzlichen und tierischen Nahrungsmittel sowie das Wasser enthalten geringe Konzentrationen natürlicher Radionuklide. Dabei überwiegt das radioaktive Kalium-40, das im natürlich vorkommenden Element Kalium mit 0,012 % enthalten ist. Mit jedem Kilogramm unserer pflanzlichen und tierischen Nahrung nehmen wir im Mittel etwa 100 Bq an natürlichen Radionukliden zu uns. Diese werden zum Teil in den Stoffwechsel einbezogen und verbleiben über bestimmte Zeitspannen hinweg im menschlichen Körper. Das bedeutet, dass der Mensch selbst eine gewisse Menge natürlicher Radionuklide enthält.

Die mittlere Strahlenexposition durch natürliche radioaktive Stoffe im Trinkwasser liegt in der Größenordnung von 0,05 – 0,009 mSv pro Jahr und ist damit eher klein gegenüber den anderen natürlichen Quellen. Die chemische Toxizität (Giftigkeit) von Uran ist unterhalb von 60 Mikrogramm Uran/Liter (entsprechend ca. 0,7 Bq/l) Trinkwasser relevanter als die Radiotoxizität.

Die Gesamtaktivität natürlicher Radionuklide im Körper eines erwachsenen Menschen beträgt etwa 8 000 bis 9 000 Bq. Das dabei wesentliche Nuklid ist wiederum Kalium-40, da das Element Kalium ein unverzichtbarer, lebenswichtiger Baustein des menschlichen Körpers ist. Das bedeutet, dass in unserem Körper jede Sekunde 8 000 bis 9 000 Kernzerfälle stattfinden, fast 800 Millionen pro Tag. Die daraus resultierende effektive Dosis beträgt im Mittel ca. 0,3 mSv pro Jahr.

Eine besondere Stellung unter den natürlichen Radionukliden nimmt das Radon ein. Radon-222 ist ein radioaktives Edelgas mit einer Halbwertszeit von 3,8 Tagen, das in geringer Aktivitätskonzentration praktisch überall in unserer Lebenssphäre vorhanden ist und infolge Inhalation eine Strahlenexposition des Atemtraktes verursacht. Radon entsteht aus Uran, das in geringen, jedoch messbaren Konzentrationen in den Böden und Gesteinen der Erdkruste vorhanden ist und somit auch in mineralischen Baustoffen auftritt. Uran wandelt sich durch radioaktiven Zerfall in Radium-226 um, das weiter zu Radon-222 zerfällt (siehe Tabelle 6.5-5). Aufgrund seiner Mobilität kann das Radon-222 bis in die freie Atmosphäre und in Häuser gelangen.

Sowohl in der bodennahen Atmosphäre als auch in Gebäuden ist die Radonkonzentration erheblichen Schwankungen unterworfen, die von der Jahreszeit, der Wetterlage und anderen Bedingungen abhängen.

In der bodennahen Atmosphäre wird das Radon rasch verteilt, die Radonkonzentration ist deshalb im Freien wesentlich niedriger als in Gebäuden. In die Gebäude gelangt das Radon im Wesentlichen auf zwei Wegen: aus dem Erdboden durch Risse und Undichtigkeiten im Fundament, und aus den Baustoffen, die je nach Material und Herkunft unterschiedliche Konzentrationen an Radium enthalten. Der Beitrag der Baustoffe zur Radonkonzentration in Häusern ist in Deutschland von untergeordneter Bedeutung. In den Wohnungen in Deutschland beträgt die Radonkonzentration im Durchschnitt 50 Bq/m3. Es wurden Jahresmittelwerte zwischen 10 und einigen tausend Bq/ m3 gemessen. Die Häufigkeit, mit der erhöhte Radonkonzentrationen auftreten, ist regional unterschiedlich. Diese regionale Verteilung kann im Geoportal des BfS (Radon-Konzentration im Boden) eingesehen werden.

Die Radonkonzentrationen in einem Haus weisen oft starke zeitliche Veränderungen auf, die auf Lüftungsgewohnheiten und die Witterungsverhältnisse zurückzuführen sind.

Untersuchungen zeigen, dass ein langjähriger Aufenthalt in Räumen das zusätzliche Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, um ca. 10 % ansteigen lässt, wenn die Radonkonzentration um 100 Bq/m3 zunimmt.

In der Raumluft von Gebäuden ist im Durchschnitt etwa fünfmal so viel Radon enthalten wie in der Außenluft. Das spiegelt sich auch in den Mittelwerten der jährlichen effektiven Dosis der Bevölkerung durch Radon und seine Zerfallsprodukte wieder, bei deren Bestimmung die unterschiedlichen Aufenthaltszeiten im Freien und in Gebäuden berücksichtigt wurden. Während der Mensch im statistischen Mittel während des Aufenthaltes in Häusern eine Exposition von ca. 0,9 mSv pro Jahr erfährt, beträgt dieser Wert für den Aufenthalt im Freien ca. 0,2 mSv pro Jahr. Die Gesamtexposition durch Radon ergibt sich zu 1,1 mSv pro Jahr, der Wertebereich ist dabei 1 - 6 mSv. Das bedeutet, dass die jährliche Exposition durch Radon mehr als die Hälfte der jährlichen Exposition durch alle natürliche Radionuklide zusammen ausmacht. Die durch alle Komponenten natürlicher Strahlenquellen bedingte Strahlenexposition des Menschen beträgt in Deutschland durchschnittlich etwa 2,1 mSv pro Jahr. Aufgrund natürlicher Gegebenheiten, zu denen z. B. die geologischen Bedingungen an einem bestimmten Aufenthaltsort oder dessen Höhenlage gehören, können erhebliche Abweichungen von dem Durchschnittswert auftreten.

Die natürliche Strahlenexposition kann deshalb sehr unterschiedlich sein; in Deutschland liegt sie zwischen ca. 1 und 10 mSv pro Jahr.

Abb. 6.6-2 Mittlere jährliche effektive Dosis der deutschen Bevölkerung der nördlichen Hemisphäre durch natürliche Strahlungsquellen, nach [BMUV22]

Die ursprüngliche Verteilung der Radionuklide in der Natur und die Höhe der natürlichen Strahlenexposition kann durch die Tätigkeit des Menschen beeinflusst werden. Diese zivilisatorischen Einwirkungen können unter Umständen erheblich sein.

Ein klassisches Beispiel dafür ist der Bergbau. In verschiedenen Regionen Deutschlands wurde bereits seit dem Mittelalter nach Erzen geschürft. Diese kamen häufig zusammen mit Uranerz vor, das damals keine Beachtung fand und mit dem Nebengestein als Abraum in der Umgebung abgelagert wurde. In Häusern, die auf diesen Halden errichtet wurden, konnten erhöhte Radonkonzentrationen auftreten. Diese Zusammenhänge wurden erst in jüngster Vergangenheit erkannt, was in vielen Fällen zur Einleitung von Maßnahmen zur Verringerung der Radonkonzentration in den Häusern führte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde in Sachsen und Thüringen Uranerz in großem Umfang abgebaut und verarbeitet. Dies führte zu weiteren radiologischen Umweltbelastungen. Als Abraum aufgehaldete Materialien sowie Rückstände aus der Erzverarbeitung mit erhöhten Konzentrationen natürlicher Radionuklide sind Ursache lokaler Veränderungen der Strahlensituation. Diese Veränderungen sind jedoch auf bergbauliche Objekte und deren Umgebung beschränkt. Seit 1991 wurden in großem Umfang Sanierungsarbeiten durchgeführt, durch die die Belastungen der Umwelt deutlich reduziert wurden.

Weitere Beispiele für eine zivilisatorisch bedingte Erhöhung der natürlichen Strahlen­exposition seien hier nur kurz angeführt:

Viele Reisen werden heute mit dem Flugzeug in großen Höhen absolviert. Wegen der bereits erwähnten Abhängigkeit der Intensität der kosmischen Strahlung von der Höhe über dem Meeresspiegel werden Flugpassagiere und Besatzung dabei einer erhöhten kosmischen Strahlung ausgesetzt. Auf einer Flughöhe von 12 000 m bei interkontinentalen Flügen beträgt die Dosisleistung auf der Nordpolarroute etwa 0,007 mSv/h. Das bedeutet, dass Flugpassagiere, die auf dieser Route mehrmals im Jahr nach Nordamerika fliegen, bei insgesamt rund 40 Flugstunden eine zusätzliche Strahlenexposition von ca. 0,2 mSv erhalten. Dies entspricht nur etwa einem Zehntel der jährlichen natürlichen Strahlendosis. Für das fliegende Personal kann es aber zu nicht mehr zu vernachlässigenden Strahlenexpositionen kommen, die dann dem Strahlenschutzrecht unterliegen.

Geringfügige Erhöhungen der natürlichen Strahlenexposition werden auch durch Kohlekraftwerke verursacht. Die in der Kohle enthaltenen natürlichen Radionuklide werden bei der Verfeuerung in der Asche angereichert, gelangen in die Atmosphäre und lagern sich auf dem Boden ab. Die dadurch zustande kommende effektive Dosis für die Bevölkerung liegt zwischen 0,001 und 0,01 mSv pro Jahr. Sie ist damit –bezogen auf die gleiche Kraftwerksleistung – etwa gleich groß wie die Jahresdosis der Bevölkerung durch Emission künstlicher Radionuklide aus Kernkraftwerken im Normalbetrieb.

Zivilisatorische Strahlenquellen

Mit der Entwicklung von Industrie, Forschung und Medizin hat sich der Mensch in zunehmendem Maße radioaktive Stoffe und ionisierende Strahlung nutzbar gemacht. Damit wurde den natürlichen Strahlenquellen eine Reihe künstlicher Strahlenquellen hinzugefügt. Diese sind Ursache einer zivilisatorischen Strahlenexposition.

Der weitaus größte Anteil an der zivilisatorischen Strahlenexposition ist auf die Anwendung radioaktiver Stoffe und ionisierender Strahlung in der Medizin zurückzuführen. Durch die Medizin, im Wesentlichen durch die diagnostische Anwendung der Röntgenstrahlung, verdoppeln sich in den Industriestaaten die durchschnittlichen natürlichen Strahlenexpositionen (siehe u. a. Abb. 6.6-2 und 6.6-3). Dieses sind statistische Durchschnittswerte, d. h., die meisten Menschen erhalten durch medizinische Maßnahmen nur eine relativ geringe Dosis, aber einige wenige können einer medizinisch bedingten Strahlenexposition ausgesetzt sein, die durchaus ein Vielfaches der natürlichen Exposition beträgt.

Röntgenuntersuchungen sind nach den Ultraschalluntersuchungen (Sonographie) die am zweithäufigsten eingesetzten bildgebenden Verfahren in der Medizin. Die Verfahren der Röntgendiagnostik wurden ständig weiterentwickelt, sodass die Zahl der Röntgenuntersuchungen in den Industriestaaten stetig anstieg. In den letzten zwei Jahrzehnten hat in Deutschland die Anzahl aber wieder abgenommen. Heute (2016) werden schätzungsweise über 137 Millionen Röntgenuntersuchungen pro Jahr (ca. 1,7 Untersuchungen pro Einwohner pro Jahr) durchgeführt [BMUV 22]. Die Fortschritte in der Röntgentechnik haben in den letzten Jahrzehnten die Voraussetzungen geschaffen, die Strahlendosis, bei gleicher diagnostischer Aussagefähigkeit, erheblich zu verringern. Andererseits wurden aber auch Untersuchungsverfahren entwickelt, die mit deutlich höheren Dosen verbunden sind, dann aber auch wesentlich höhere diagnostische Aussagekraft haben, wie z. B. die Computertomographie (CT). In der folgenden Tabelle sind die Mittelwerte der effektiven Dosis bei einigen häufig durchgeführten Untersuchungsarten zusammengestellt.

Tab. 6.6-8     Typische Werte für die effektive Dosis häufiger Röntgenmaßnahmen für Standardpatienten mit 70 kg Körpergewicht (Stand 2016) nach [BfS 17]
UntersuchungsartEffektive Dosis in mSv
Untersuchungen mit Röntgenaufnahmen
Zahnaufnahme< 0,01
Extremitäten (Gliedmaße)< 0,01 – 0,1
Schädelaufnahmen (anterior-posterior)0,03 – 0,06
Brustkorb, 1 Aufnahme0,02 – 0,04
Mammographie beidseitig in je 2 Ebenen0,2 – 0,4
Lendenwirbelsäule in 2 Ebenen0,6 – 1,1
Beckenübersicht0,3 – 0,7
Bauchraum (Abdomen-Übersicht)0,3 – 0,7
Röntgenuntersuchung mit Aufnahmen und Durchleuchtung
Magen-Darm4 – 12
Angiographie10 – 30
PTCA (Perkutane transluminale koronare Angiographie zur Herzkranzgefäßerweiterung)6 – 16
Bein-Becken-Phlebographie (ein Bein)0,3 – 0,7
Becken-Bein-Artheriographie5 – 9
CT-Untersuchungen
Hirnschädel1 – 3
Brustkorb (Thorax)4 – 7
Bauchraum (Abdomen)8 – 20
Tab. 6.6-9     Prozentualer Anteil der verschiedenen Röntgenuntersuchungen an der kollektiven Dosis (2016), gerundet daher Summe nicht 100 % [BMUV 22]
RöntgenmaßnahmeProzent (%)
CT67
Angiographie/Intervention18
Skelett7
Verdauungs- und Urogenitaltrakt5
Thorax1
Mammographie1
Sonstiges0,8
Zahnmedizin0,4

Die gelegentlich anzutreffende Auffassung, Röntgenstrahlung würde sich im Körper des Patienten sammeln, ist nicht richtig. Durchdringt während einer Röntgenuntersuchung die Strahlung den menschlichen Körper, wird ein Teil der Strahlung im Gewebe absorbiert und kann zu biologischen Veränderungen in den Zellen führen. Bei den meisten Untersuchungsarten der Röntgendiagnostik treten Dosen auf, die deutlich geringer sind als diejenigen, denen Menschen seit jeher durch natürliche Strahlenquellen ausgesetzt sind. Bei einigen Untersuchungen, insbesondere bei CT-Untersuchungen, liegt die Dosis jedoch z. T. deutlich darüber.

Die Verantwortung für die Höhe der Strahlenexposition des Patienten liegt bei der Ärztin/beim Arzt, die dafür eine spezielle Fachkunde haben müssen. Sie treffen die Entscheidung für eine Röntgenuntersuchung unter Abwägung des möglichen diagnostischen Nutzens und der möglicherweise damit verbundenen Strahlenrisiken. In dieser sog. rechtfertigenden Indikation liegt das größte Potenzial zur Einsparung und auch Vermeidung unnötiger Dosis. Dabei sind auch alternative Untersuchungsverfahren (ohne die Anwendung von Röntgenstrahlung), wie z. B. Ultraschall, Endoskopie, Magnetresonanz-Tomographie, zu berücksichtigen. Ist die rechtfertigende Indikation gestellt, obliegt es einer fachkundigen Ärztin/einem fachkundigen Arzt für eine optimale Durchführung der Untersuchung zu sorgen, die mit dem Stand der medizinischen Wissenschaft vereinbar ist. Die Röntgendiagnostik verursacht eine jährliche kollektive effektive Dosis von rund 1,6 mSv pro Person.

In der nuklearmedizinischen Diagnostik werden radioaktive Stoffe verabreicht, die sich abhängig von ihren chemischen Eigenschaften im Körper unterschiedlich verteilen. Aufgrund der Radioaktivität können spezielle Messgeräte wie Gammakameras oder Positronen-Emissions-Tomographen (PET) von außen die Verteilung im Körper nachweisen und bildlich darstellen. Diese Untersuchungsmethode kann Aussagen zur Funktion einer Vielzahl von Organsystemen sowohl hinsichtlich allgemeiner Stoffwechselstörungen wie auch der örtlichen Verteilung von Krankheitsherden (z. B. Entzündungen oder Krebs) liefern. In Deutschland werden jährlich ca. 2,5 Millionen Untersuchungen mit Radionukliden durchgeführt. Die nuklearmedizinischen Untersuchungen verursachen eine jährliche kollektive effektive Dosis pro Einwohner von rund 0,1 mSv.

Tab. 6.6-10   Prozentualer Anteil an der kollektiven effektiven Dosis der nuklearmedizinischen Untersuchungen (2016), gerundet daher Summe nicht 100 %, nach [BMUV 22]
Nuklearmedizinische UntersuchungProzent (%)
Skelett30
Herz31
Schilddrüse18
PET8
Lunge4
Gehirn2
Tumoren5
Sonstige1
Niere0,8

In Deutschland werden pro Jahr an ca. 322 000 Patienten therapeutische Strahlenanwendungen durchgeführt. Davon bei ca. 283 000 Patienten aufgrund von bösartigen Erkrankungen (Krebs). Die dabei applizierte Dosis im Zielvolumen (Tumor) muss in der Größenordnung von ca. 20–40 Sv liegen, um den Tumor mit hoher Wahrscheinlichkeit abzutöten. Bei diesen Therapien sind in der Regel deterministische Schäden nicht auszuschließen. Der Beitrag zur kollektiven effektiven Dosis ist trotzdem zu vernachlässigen.

Auch wenn bei der Nutzung der Kernenergie in Leistungsreaktoren zur Erzeugung von Strom Sicherheitsaspekte absoluten Vorrang vor wirtschaftlichen Fragen haben, ist es nicht möglich, diese ohne Auswirkungen auf die Umwelt zu betreiben. Die damit verbundene Strahlenexposition ist aber durch gesetzliche Bestimmungen geregelt und deren Einhaltung wird kontinuierlich durch den Staat überwacht. Die zulässigen Werte für die Strahlenexposition sind so festgelegt, dass sie innerhalb der Schwankungsbreite des natürlichen Strahlenpegels in Deutschland liegen. Die Ableitung über Luft oder Wasser darf maximal je 0,3 mSv/a betragen. Diese Grenzwerte sollen und werden nicht ausgeschöpft, sondern weit unterschritten. Die rechnerisch ermittelte Strahlenexposition der deutschen Bevölkerung beträgt im Mittel weniger als 0,01 mSv/a.

In der Industrie und in der Forschung werden eine Vielzahl von radioaktiven Stoffen eingesetzt. So wird die Dichtigkeit von Schweißnähten bei Erdgasrohrleitungen mit radioaktiven Stoffen oder Röntgengeräten vor Ort überwacht. In der Forschung werden radioaktive Stoffen u. a. eingesetzt, um Stoffwechselprozesse und Stofftransporte in Organismen zu verstehen. In Deutschland sind pro Jahr mehr als 450 000 Versandstücke mit radioaktivem Material unterwegs. Auch wenn in Deutschland ca. 440 000 Beschäftigte als strahlenexponierte Personen überwacht werden, beträgt rechnerisch die ermittelte Strahlenexposition der deutschen Bevölkerung dadurch im Mittel weniger als 0,01 mSv pro Jahr.

Der Unfall des Kernkraftwerkes Tschernobyl 1986 in der Sowjetunion führte zu einer europaweiten Verteilung von radioaktiven Stoffen, die auch heute noch in der Umwelt nachgewiesen werden kann. Das dabei freigesetzte Isotop Cäsium-137 (Cs-137) kann noch heute gemessen werden und führte zu nicht zu vernachlässigenden Expositionen in Pilzen und Wildfleisch. In Südbayern werden noch Maronen gefunden, die 4 000 Bq/kg Cs-137 aufweisen. Eine Pilzmahlzeit von 200 g würde zu einer Exposition von 0,01 mSv führen. Die Verteilung der radioaktiven Stoffe mit dem Wind war aber auch in Deutschland sehr unterschiedlich. Die rechnerisch ermittelte Strahlenexposition der deutschen Bevölkerung beträgt im Mittel dabei weniger als 0,015 mSv/a.

Bis 1963 wurde von den Atommächten eine Vielzahl von Kernwaffen in der Atmosphäre gezündet. Damit wurde radioaktives Material weltweit verteilt. Dieses trägt noch heute messbar zur Strahlenexposition bei, besonders durch die langlebigen Radioisotope Strontium-90 und Cäsium-137. Die rechnerisch ermittelte Strahlenexposition der deutschen Bevölkerung beträgt im Mittel dabei weniger als 0,01 mSv/a. Durch den Vertrag über die Einstellung von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser im Jahr 1963 wurde der Anstieg dieser Exposition gestoppt.

Abb. 6.6-3 Mittlere effektive Dosis der deutschen Bevölkerung durch zivilisatorische Strahlenquellen, nach [BMUV 22]
 

Strahlenexposition der Bevölkerung in Deutschland

Natürliche und zivilisatorisch bedingte Strahlenquellen sind Ursache einer Strahlenexposition, der jeder Mensch ausgesetzt ist. Die dabei aufgenommene effektive Dosis pro Jahr kann für den Einzelnen sehr unterschiedlich sein. Die Höhe der natürlichen Strahlenexposition ist vom Aufenthaltsort und von den individuellen Lebensgewohnheiten abhängig, die Höhe der zivilisatorischen Strahlenexposition wird maßgeblich durch die Inanspruchnahme medizinischer Maßnahmen unter Verwendung radioaktiver Stoffe und ionisierender Strahlung bestimmt. Die Strahlungsdosis der Bevölkerung wird in Werten angegeben, die über Deutschland über ein Jahr gemittelt sind.

Die mittlere effektive Dosis, die aus allen natürlichen Strahlenquellen resultiert, beträgt im Mittel etwa 2,1 mSv pro Jahr. Neben der kosmischen Komponente von 0,3 mSv und der terrestrischen Komponente von 0,4 mSv trägt die Aufnahme natürlich radioaktiver Stoffe mit der Nahrung 0,3 mSv zur Strahlenexposition bei. Ein Teil der Exposition durch die radioaktiven Edelgase Radon und Thoron sowie ihre kurzlebigen Folgeprodukte von etwa 1 mSv ist unvermeidbar. Die effektive Dosis der zivilisatorischen Strahlenexposition liegt in Deutschland bei etwa 2 mSv pro Einwohner und Jahr.

Der größte Beitrag wird durch die Anwendung radioaktiver Stoffe und ionisierender Strahlen in der Medizin, insbesondere durch die Röntgendiagnostik, verursacht. Der Beitrag der Strahlenexposition durch Atomkraftwerke und sonstige kerntechnische Anlagen zur mittleren effektiven Dosis der Bevölkerung liegt unter 1 % der zivilisatorischen Strahlenexposition.

Alle beruflich strahlenexponierten Personen, bei denen die Möglichkeit einer erhöhten Strahlenexposition von außen besteht, werden mit Personendosimetern überwacht. Die Zahl der überwachten Personen liegt in Deutschland bei rund 420 000, davon der größte Teil in der Medizin. Mit Personendosimetern messbare Dosen wurden bei ca. 99 000 Personen ermittelt (Mittelwert 0,34 mSv) [BfS Internet2022]. Dies ist weniger als 5 % des Grenzwertes von 20 mSv pro Jahr für beruflich strahlenexponierte Personen. Durch die kosmische Strahlung tritt auch beim Personal in Flugzeugen eine Strahlen­exposition auf. Im Jahr 2020 führte dieses bei diesen 38 000 Personen zu einer mittleren Jahresdosis von ca. 0,62 mSv. Damit trägt das fliegende Personal ca. 50 % der Kollektivdosis (ca. 48,8 Pers-Sv/a) aller strahlenexponierter Personen [BfS Internet 2022]. Durch die COVID-19 Pandemie sind diese Zahlen gegenüber dem Vorjahr erheblich niedriger. Aktuelle Daten zur Strahlenbelastung in Deutschland können dem jeweiligen Jahresbericht „Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung“ des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) entnommen werden.

Die Erkrankung durch ionisierende Strahlung trägt die BK Nr. 2402. Nach den Zahlen, die durch den DGUV (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung) veröffentlicht wurden, gab es im Jahr 2021 399 Anzeigen mit dem Verdacht einer Berufserkrankung durch ionisierende Strahlung und in 14 Fällen wurde diese anerkannt.

Messung ionisierender Strahlung

Der sichere Umgang mit ionisierender Strahlung setzt voraus, dass diese zuverlässig gemessen werden kann. Das ist schon allein deswegen erforderlich, weil der Mensch kein Sinnesorgan besitzt, das ihm die Wahrnehmung ionisierender Strahlung ermöglicht. Ionisierende Strahlung lässt sich in der Regel sehr gut messen. Das Prinzip der Strahlungsmessung beruht auf der Nutzung der ionisierenden Wirkung der Strahlung in Materie, beispielsweise in einem Gas, einem Kristall oder einem Filmmaterial.

Das klassische Anwendungsbeispiel hierfür ist die Ionisationskammer. Diese besteht aus einem gasgefüllten Behälter, in dem sich zwei Elektroden befinden, an denen eine Gleichspannung anliegt. Die in das Messvolumen einfallende Strahlung ionisiert einen Teil der Gasmoleküle. Die Häufigkeit der Ionisationsvorgänge hängt von der Intensität der Strahlung ab. Im Gas werden Ladungsträgerpaare gebildet: positiv geladene Ionen und negative Elektronen. Durch die angelegte Spannung werden die Ladungsträger zu der jeweils entgegengesetzt geladenen Elektrode hin angezogen. Es fließt ein Strom, dessen Stärke gemessen werden kann. Die Stromstärke ist ein Maß für die Intensität der Strahlung. Mit einer Ionisationskammer kann je nach Messbedingung sowohl die Dosis als auch die Dosisleistung bestimmt werden. Wird zwischen den Elektroden der Messkammer eine Hochspannung angelegt, wird jeder einzelne Ionisationsvorgang im Messvolumen lawinenartig verstärkt. An den Elektroden entstehen Spannungsimpulse, die elektronisch gezählt werden. Deshalb werden diese Geräte als Zählrohre bezeichnet. Eines der bekanntesten Geräte ist das Geiger-Müller-Zählrohr, das umgangssprachlich auch als „Geigerzähler“ bekannt ist. Zählrohre sind vielseitig verwendbar. Bei der Messung von Gammastrahlung werden sie zur Bestimmung der Dosis und Dosisleistung eingesetzt. Ein weiteres Anwendungsgebiet ist die Bestimmung des Aktivitätsgehaltes von Radionukliden in Substanzen, z. B. in Proben von Bio- oder Umweltmedien. Die zumeist sehr geringen Aktivitätskonzentrationen in diesen Proben können jedoch nur dann zuverlässig bestimmt werden, wenn die Messanordnung mit geeigneten Materialien (z. B. Blei) von der natürlichen Umgebungsstrahlung abgeschirmt wird.

Andere Arten von Strahlungsmessgeräten verwenden als Detektormaterial feste Stoffe in Kristallform, Gläser, Kunststoff oder andere spezielle Materialien. Die Wahl des geeigneten Messgerätes einschließlich des Detektors hängt in hohem Maße von der Messaufgabe ab. Bevor man sich für ein bestimmtes Messgerät entscheidet, muss geklärt sein, welcher Art die Strahlenquelle ist, welche Strahlung oder welches Strahlungsgemisch gemessen werden soll und in welchem Dosisleistungsbereich die Intensität der Strahlung erwartet wird. Letzteres ist von entscheidender Bedeutung bei der Wahl der Empfindlichkeit des Messgerätes. Das bedeutet, dass z. B. mit einem Gerät, das zur Überwachung von Arbeiten im Kernkraftwerk geeignet ist, keine verlässlichen Messwerte gewonnen werden können, wenn man versucht, damit die Aktivitätskonzentration von Radionukliden in Umweltmedien zu bestimmen. Mit einem Strahlungsmessgerät können nur dann zuverlässige Messergebnisse erzielt werden, wenn es gemäß den Messbedingungen verwendet wird, für die es konzipiert wurde. Eine wichtige Messaufgabe in der Praxis des Strahlenschutzes besteht darin, die Dosis zu ermitteln, die von Personen beim beruflichen Umgang mit radioaktiven Stoffen und ionisierender Strahlung aufgenommen wird. Die dazu verwendeten Strahlungsmessgeräte werden als Personendosimeter bezeichnet. In der Regel werden die Dosimeter an der Arbeits- oder Schutzkleidung befestigt und registrieren auf diese Weise die Personendosis in einem sich örtlich und zeitlich ändernden Strahlungsfeld.

Eines der gebräuchlichsten Personendosimeter beruht auf der Schwärzung fotografischer Filme. Diese Dosimeter werden deshalb als Filmdosimeter bezeichnet. Nach Ablauf der Einsatzzeit eines Filmdosimeters, die in der Regel einen Monat beträgt, werden die Filme entwickelt, das Schwärzungsmuster optisch ausgewertet und daraus die Dosis bestimmt. Filmdosimeter werden bevorzugt bei der Überwachung beruflich strahlenexponierter Personen verwendet.

Wird mit offenen radioaktiven Stoffen umgegangen, ist die Oberflächenkontamination messtechnisch zu überwachen, um eine Verschleppung oder Inkorporation zu vermeiden.

Messung von Radon in Trinkwasser dürfen nur durch dafür akkreditierte Labore durchgeführt werden.

Messungen der Radon-222-Aktivitäskonzentration in Gebäuden können sowohl mit passiven als auch direkt anzeigenden Geräten durchgeführt werden. Zu den passiven Messgeräten zählen u. a. mit Kernspurdetektoren ausgerüstete Radon-Diffusionskammern. Diese passiven Dosimeter eignen sich insbesondere für Langzeitmessungen über mehrere Monate. Zur Untersuchung von zeitlichen Änderungen wie z. B. Lüften sollten direkt anzeigende Messgeräte verwendet werden. Das BfS führt jährlich Vergleichsprüfungen für passive Radonmessgeräte durch, die Ergebnisse sind im Internet auf den Seiten des BfS veröffentlicht.

Wirkung ionisierender Strahlung auf Menschen

Von Anbeginn der Welt hat sich alles Leben unter dem Einfluss natürlicher Strahlenquellen entwickelt. Das bedeutet, dass sich alle Lebewesen, so auch der Mensch, im Zuge der Evolution dieser Bedingung anpassen mussten. Heute wissen wir, dass ionisierende Strahlung, unabhängig davon, ob sie natürlichen oder künstlichen Ursprungs ist, eine schädigende Wirkung auf die Zelle als kleinste biologische Einheit ausüben kann, indem sie die Erbsubstanz (DNS) der lebenden Zelle verändert oder beschädigen kann. Zellverluste oder Veränderungen in den Zellen sind jedoch nicht gleichbedeutend mit der Entstehung eines gesundheitlichen Schadens. Der Organismus besitzt die Fähigkeit, Zellverluste auszugleichen sowie geschädigte Zellen zu erkennen und durch Reparaturmechanismen, Absterben der Zelle sowie durch Eingreifen der Immunabwehr einen normalen Zustand wiederherzustellen.

Die Abwehr- und Reparatursysteme können jedoch versagen oder überfordert sein. Ein ausschlaggebender Faktor dafür ist die Höhe der Dosis, mit der eine Zelle oder ein Organ exponiert wurde. Von wesentlichem Einfluss auf die „Leistungsfähigkeit“ der Reparatursysteme ist auch die Dosisleistung, d. h. der Zeitraum, in dem die Dosis aufgenommen wird, und die räumliche Verteilung der durch die Strahlung gesetzten Zellschädigungen über ein Organ oder den gesamten Organismus.

Wird z. B. eine bestimmte Dosis innerhalb eines kurzen Zeitraumes aufgenommen und dabei eine größere Anzahl von Zellen praktisch gleichzeitig geschädigt, können die Reparatursysteme an ihre Grenzen gelangen. Wird die gleiche Dosis über einen langen Zeitraum verteilt aufgenommen, werden nur wenige Zellen gleichzeitig geschädigt und der Organismus kann mit hoher Wahrscheinlichkeit in den normalen Zustand zurückgeführt werden. Ähnliches gilt für die räumliche Verteilung von Zellschädigungen, die umso effektiver repariert werden, je „vereinzelter“ sie auftreten.

Die biologische Wirkung der ionisierenden Strahlung auf den Menschen kann auf zwei Wegen auftreten:
Deterministische Strahlenwirkungen können direkt auf eine Strahlenexposition zurückgeführt werden. Sie setzen hohe Strahlungsdosen voraus und treten sofort oder innerhalb weniger Wochen nach der Exposition auf. Sie machen sich erst bemerkbar, wenn ein bestimmtes Maß zerstörter oder geschädigter Zellen überschritten wird. Daher tritt diese Art von Schäden erst oberhalb einer Mindestdosis – dem Schwellenwert – auf. Dieser liegt beim Menschen bei akuter Exposition des ganzen Körpers bei rund 500 mSv (0,5 Sv). Dann können sich kurzzeitige, nur von Ärztinnen/Ärzten feststellbare Veränderungen des Blutbildes zeigen. Je höher die Strahlungsdosis ist, desto schwerer ist die Erkrankung. Betroffen sind in erster Linie die Blutbildungsorgane, die Schleimhäute des Magen-Darm-Traktes und der Luftwege sowie die Keimdrüsen. Eine akute Exposition des ganzen Körpers, die den Schwellenwert von 0,5 Sv um mehr als das Zehnfache überschreitet, führt beim Menschen, ohne medizinische Gegenmaßnahmen, in der Regel zum Tod.

Stochastische Strahlenwirkungen treten mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit erst Jahre oder Jahrzehnten nach der Exposition auf. Die Höhe der Dosis beeinflusst dabei nicht die Schwere der zu erwartenden Strahlenschäden, sondern die Wahrscheinlichkeit, dass diese auftreten. Stochastische Strahlenwirkungen beruhen auf Vorgängen zufälliger Art: Wurde durch Strahleneinwirkung im Zellkern der Informationsgehalt einer Zelle verändert und anschließend vom Organismus nicht richtig repariert, und bleibt die Zelle aber sonst lebensfähig, kann die Veränderung an nachfolgende Zellgenerationen weitergegeben werden. Je nachdem, ob es sich um eine Keimzelle oder eine Körperzelle handelt, kann es sich um eine Veränderung der Erbanlagen handeln oder es können bösartige Neubildungen wie Krebs entstehen.

Die Wahrscheinlichkeit einer stochastischen Strahlenwirkung wird auch durch den Begriff des Schadensrisikos zum Ausdruck gebracht. Dieses Risiko wird auf der Grundlage von Modellen und Extrapolationen auch für den niedrigen Dosisbereich berechnet (für weniger als 10 mSv). Dabei wird auf grundsätzliche strahlenbiologische Überlegungen zurückgegangen und angenommen, dass auch kleinste Strahlendosen eine biologische Wirkung haben können und ihnen ein bestimmtes Schadensrisiko zuzuordnen ist.

Deshalb kann selbst für kleinste Schadensrisiken, denen große Personengruppen ausgesetzt sind, eine bestimmte, wenn auch geringe Anzahl von Spätschäden, z. B. Krebserkrankungen, abgeschätzt werden. Diese Zahl der rechnerisch ermittelten Fälle wird häufig als gesicherte biologische Realität dargestellt. Sie besitzt jedoch einen rein hypothetischen Charakter, denn sie kann nicht von spontanen Krebserkrankungen unterschieden werden, die in vergleichbaren nicht bestrahlten Bevölkerungsgruppen auftreten. Die medizinische Statistik zeigt, dass in Deutschland etwa jeder vierte Todesfall auf eine spontan auftretende Krebserkrankung zurückzuführen ist. Strahlenbedingte Krebsfälle können daher nur mit statistischen Methoden in großen Personengruppen, nicht jedoch bei Einzelpersonen am Krankheitsbild festgestellt werden.

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