Lange Arbeits- und arbeitsgebundene Zeiten

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Ermittlung und Beurteilung

Durch lange werktägliche Arbeitszeiten sind Beschäftigte tätigkeits- und arbeitsplatz-bezogenen Belastungsexpositionen länger ausgesetzt und haben täglich weniger Zeit für Erholung und für Familie und außerberufliche Aktivitäten. Wie oben beschrieben, ist die Normalarbeitszeit in der Regel mit 8 Stunden pro Tag definiert. Diese Arbeitsdauer stellt auch den Referenzzeitraum für wesentliche Aspekte des Arbeits- und Gesundheitsschutzes dar, z. B. zur Bemessung von Grenzwerten bei Lärm oder Gefahrstoffen. Arbeitszeiten von mehr als 10 Stunden täglich bzw. 40 bis 48 Stunden pro Woche gelten als lange Arbeitszeiten, wöchentliche Arbeitszeiten von mehr als 48 Stunden als überlange Arbeitszeiten.

Arbeitszeiterfassung

Im Mai 2019 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) klargestellt, dass die Mitgliedstaaten Arbeitgeber verpflichten müssen, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, mit dem die von Arbeitnehmern geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann. Nur auf diese Weise, so machte der Gerichtshof deutlich, lasse sich die Einhaltung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und der Arbeitszeitrichtlinie (2003/88/EG) sicherstellen, die Ruhezeiten und begrenzte Höchstarbeitszeiten vorschreiben. Die Entscheidung fußt auf dem Arbeitsschutzrecht und fokussiert sich in erster Linie auf die Bedeutung der Arbeitszeiterfassung für den Gesundheitsschutz. Eine systematische Arbeitszeiterfassung ist aber auch die Grundvoraussetzung für die Analyse der Gefährdungen durch Arbeitszeiteffekte. Das BAG hat in seiner Entscheidung vom 13. September 2022 verbindlich festgestellt, dass auch in Deutschland die gesamte Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufzuzeichnen ist. Das ist laut BAG bereits heute geltendes Recht. Damit darf der Arbeitgeber nicht mit der Arbeitszeiterfassung warten, bis das Arbeitszeitgesetz an die Rechtsprechung des BAG angepasst ist. Erfasst werden sollte

  • die tägliche Arbeitszeit, damit die Einhaltung der Höchstarbeitszeiten kontrolliert werden kann,
  • Beginn (Arbeitsaufnahme) und Ende der täglichen Arbeitszeit, damit die Einhaltung der täglichen Ruhezeit sichergestellt werden kann (vgl. hierzu Kapitel 10.4),
  • Beginn und Ende von Pausenzeiten, damit die Einhaltung von Ruhepausen sowie die Einhaltung von Höchstarbeitszeiten kontrolliert werden kann (vgl. hierzu Kapitel 10.4).

Diese Informationen müssen so gesichert werden, dass sie nicht manipuliert werden können. Sie müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Verfügung stehen, damit sie sicherstellen können, dass die Rechte aus der Richtlinie gewahrt werden. Diese Informationen müssen jederzeit auch für die Arbeitsschutzbehörden und den Betriebsrat zur Verfügung stehen.

Nach der Entscheidung des BAG reicht es nicht mehr aus, wenn der Arbeitgeber die Arbeitszeit entsprechend den derzeitigen Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes aufzeichnet. Zur Zeit verpflichtet § 16 Absatz 2 des Arbeitszeitgesetzes den Arbeitgeber zur Aufzeichnung der werktäglichen Arbeitszeit über acht Stunden sowie der gesamten Arbeitszeit an Sonn- und Feiertagen. Der Arbeitgeber hat die Arbeitszeitnachweise mindestens zwei Jahre aufzubewahren und auf Verlangen der Aufsichtsbehörde vorzulegen oder zur Einsicht zuzusenden. Nach der Entscheidung des BAG ist die gesamte Arbeitszeit aufzuzeichnen. Es empfiehlt sich auch aus planerischen Gründen eine ausführliche Dokumentaltion der Arbeitszeiten, um z. B. die Diskrepanzen zwischen den geplanten und tatsächlichen Dienstzeiten und vor allem auch zwischen den geplanten und tatsächlichen Dienstabfolgeplänen zu erkennen, womit auch die Ruhezeiten zwischen den Diensten erfasst werden.

Checkliste Arbeitszeit

Mehrere Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG), wie z. B. die tägliche Arbeitszeit, erlauben Abweichungen nach oben oder unten. Voraussetzung dafür ist allerdings ein Ausgleich auf den vorgegebenen durchschnittlichen Wert innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Auch wenn diese Abweichungen tariflich festgelegt sind, sollte das vorhandene Gefährdungspotenzial insbesondere für überlange Arbeitszeiten nicht gering eingestuft werden. Werden über die „Checkliste Arbeitszeit“ Abweichungen festgestellt, die sich im Rahmen des ArbZG bewegen, so ist auf den entsprechenden Ausgleich zu achten.

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