Lange Arbeits- und arbeitsgebundene Zeiten

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Art der Gefährdungen und ihre Wirkungen

Die Länge der Arbeitszeit wirkt über verschiedene Mechanismen auf die Gesundheit der Beschäftigten und die Sicherheit bei der Arbeit. Sie definiert den zeitlichen Rahmen der tätigkeits- und arbeitsplatzbezogenen Belastungsexpositionen. Über den Arbeitstag hinweg werden Ressourcen sowie Energie verbraucht und Ermüdung entsteht, die kognitive Leistung (Aufmerksamkeit) nimmt ab und Müdigkeit steigt an. Umfassend belegt ist, dass die Dauer der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit mit der Höhe des Risikos für Fehlhandlungen und arbeitsbedingte Unfälle zusammenhängt (NACHREINER et al., 2010; RODRIGUEZ-JAREÑO et al., 2014; TUCKER & FOLKARD, 2012; WAGSTAFF & LIE, 2011). Bereits ab der 9. Arbeitsstunde steigt das Risiko für Unfälle exponentiell.

Darüber hinaus bestimmt die Länge der täglichen Arbeitszeit auch die benötigte Zeit zur Erholung bzw. zur Rückstellung der Beanspruchungsfolgen. Je länger die tägliche Arbeitszeit ist, desto längere Erholungsphasen sind nötig, um die Belastung auszugleichen. Insbesondere bei hoher Arbeitsbelastung bzw. Arbeitsintensität verlängert sich die Zeit, die zur Erholung benötigt wird. Gleichzeitig reduziert sich jedoch die tatsächliche Zeit zur Erholung, also die Ruhezeit zwischen zwei Arbeitstagen. So reicht die verbleibende Ruhezeit bei sehr langer täglicher Arbeitszeit häufig nicht aus, um das Ausgangsniveau wieder zu erreichen (siehe Abb. 10.1-1). Erst an den freien Tagen gelingt diese Rückstellung der Beanspruchungsfolgen. Schlafdauer und -qualität stellen den zentralen Faktor im Zusammenhang von langen Arbeitszeiten und Erschöpfung dar. Je häufiger lange Arbeitstage vorkommen, desto stärker kumuliert das Erholungsdefizit, was schließlich zu gesundheitlichen Beschwerden führen kann. Lange Arbeitszeiten stehen im Zusammenhang mit Stresserleben, Angstzuständen, depressiven Stimmungslagen und verminderter Leistungsfähigkeit (z. B. AMLINGER-CHATTERJEE, 2016). Auch in Bezug auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen können lange Arbeitszeiten ein Risiko darstellen, vor allem, wenn es zu Wechselwirkungen mit ungesunder Ernährung und Bewegungsmangel kommt. Insbesondere eine wöchentliche Arbeitszeit von über 50 Stunden birgt ein erhöhtes Risiko für Burnout, übermäßigen Alkoholkonsum oder Gebrauch von Sedativa. Lange Arbeitszeiten verkürzen die Zeit, die für familiäre sowie andere soziale und sonstige Aktivitäten zur Verfügung steht. So können sehr lange Arbeitszeiten die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben erschweren (BEERMANN et al., 2018; KARHULA et al., 2017; NG & FELDMAN, 2008).

Abb. 10.1.1-1 Lange Arbeitszeit und Erholungszeit (eigene Gestaltung)

Zu beachten ist, dass bei langen Arbeitszeiten häufig auch weitere belastende Arbeitsbedingungen auftreten, wie z. B. eine hohe Arbeitsintensität, häufiger Ausfall von Ruhepausen oder ständige Erreichbarkeit (BAuA, 2016). Die Kumulation dieser Belastungsfaktoren intensiviert dann die negativen Auswirkungen von langen Arbeitszeiten auf die Gesundheit und das Wohlbefinden.

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