48. Wissenschaftliches Seminar, 21. Januar 2019

Vortrag von

  • Herrn Dr. Frank Schemmel (Wirtschaftsjurist im Bereich Arbeits-, Sozial- und Datenschutzrecht in München)

Die Zunahme arbeitsbedingter psychischer Erkrankungen wird in den letzten Jahren vermehrt in der Öffentlichkeit, verstärkt aber auch in der Wissenschaft, diskutiert. Zeigen lässt sich eine Zunahme dieser Problematik auch anhand von Statistiken: So hat die Anzahl der Fehlzeiten durch Arbeitsunfähigkeit bei psychischen Erkrankungen im Laufe der letzten 15 Jahre rapide zugenommen. Dies führt auf betrieblicher Ebene zu erhöhten Kosten und letztendlich zu volkswirtschaftlichen Schäden, die das Statistische Bundesamt auf ca. EUR 29 Mrd. /Jahr beziffert. Damit wird ein vermeintliches Einzelproblem in der Summe zu einem ernstzunehmenden Thema für Arbeitgeber, Politik, Arbeitsmedizin und Rechtsprechung. Neben der seitens Gewerkschaften und einiger Parteien immer wieder geforderten "Anti-Stress Verordnung" hat sich ein allgemeines Problembewusstsein hinsichtlich dieser Thematik durchaus materialisiert. So z. B. in der "Gemeinsamen Erklärung: Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt" aus 2013 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und des Deutschen Gewerkschaftsbunds. Da die Prävention in dieser Causa (noch) nicht ausreichend ist - wie u.a. der aktuelle Zwischenbericht zur GDA-Dachevaluation im Hinblick auf die Umsetzung von Arbeitsschutzmaßnahmen bei der betrieblichen Implementierung der Gefährdungsbeurteilung (insbesondere zu psychischen Belastungen) in den letzten 5 Jahren zeigt - sollte eine entsprechende Kompensationsmöglichkeit für Betroffene vorhanden sein. Allerdings scheidet de lege lata eine Anerkennung von arbeitsbedingten psychischen Erkrankungen als Wie-Berufskrankheit (BK) gem. § 9 Abs. 2 SGB VII aufgrund mangelnder valider wissenschaftlicher Erkenntnisse aus. Der Normierung einer BK "Arbeitsbedingte psychische Erkrankung" stehen zudem erhebliche rechtliche Hindernisse entgegen, da auch hier das Fundament einer rechtlichen Kausalitätsbetrachtung der Stand der medizinischen Wissenschaft bildet, welcher, wie bereits erläutert, defizitär ist. Diese rechtlichen Hürden sind jedoch nicht unüberwindbar. Hierbei lohnt sich insbesondere ein Blick nach Japan, das die Thematik der Entschädigung für durch Überbelastung am Arbeitsplatz entstandener Gesundheitsschäden bereits seit den 1970er Jahren gesetzlich kodifiziert und seither immer wieder angepasst hat. Aufgrund der ähnlichen Struktur des japanischen Unfallversicherungsrechts im Vergleich zu seinem deutschen Pendant sind entsprechende Reflexionen im Rahmen der Überlegungen zur Umsetzung einer BK "Arbeitsbedingte psychische Erkrankung" hilfreich und die in Japan gemachten Erfahrungen teilweise auch hierzulande übertragbar. Der Vortrag soll zu all diesen Aspekten einen Überblick und entsprechende Impulse der weiteren arbeitsmedizinischen Forschung sowie legislativen Umsetzung in diesem Bereich geben.

Kontakt

apl. Prof. Dr. Martin Schütte

Wissenschaftlicher Leiter
Fachbereich 3 "Arbeit und Gesundheit"

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