Zu Besuch auf einer COVID-19-Isolierstation

Im Frühjahr 2022 konnte ich als externe Wissenschaftlerin auf einer COVID-19-Isolierstation hospitieren. Hier möchte ich meine Eindrücke schildern und aufzeigen, wo unsere Arbeit die Situation der Pflegenden verbessern kann.
Ein Beitrag von Maria Zink

Pflege-Team in Schutzkleidung
iStock/xavierarnau

Entstanden war die Idee im Team des BAuA-Projektes "Arbeitsorganisatorische Maßnahmen als Teil des Pandemiemanagements von stationären Pflegeeinrichtungen". Die gewonnenen Eindrücke sollen uns bei unserer weiteren Forschung leiten.

Dankenswerterweise erklärten sich die Pflegekräfte der COVID-19-Isolierstation in einem Krankenhaus der Maximalversorgung bereit, unser Projekt zu unterstützen. Das Pflegeteam nahm sich während meiner Hospitation viel Zeit, mich an ihrem Arbeitsalltag teilhaben zu lassen und von ihren Erfahrungen seit Mai 2020 zu berichten, als eine der Pneumologie-Stationen des Hauses zur COVID-19 Isolierstation umfunktioniert wurde. In der Station sind zu jeder Zeit drei COVID-19-Zimmer einsatzbereit. Ist das Aufkommen an COVID-19-Positiven hoch, werden weitere Zimmer zu COVID-19-Zimmern umfunktioniert. Ist die Station ausgelastet, werden die Zimmer der Nachbarstationen sukzessive verwendet. Phasenweise waren die Isolierstation und die zwei Nachbarstationen mit infizierten Patientinnen und Patienten belegt.

Obgleich der Betrieb der Isolierstation zu Beginn nicht reibungslos verlief, hat sich dank der engagierten Pflegekräfte mittlerweile eine gute Routine etabliert. Deren Motivation, die gute Atmosphäre im Team und der starke Zusammenhalt waren während meiner Hospitation deutlich spürbar. Ohne dies wäre der Teamleitung zufolge die Belastung durch die COVID-19-Pandemie weitaus stärker.

Erlebnisse im Herbst 2020 bis Frühjahr 2021

Die Teamleitung und verschiedene Pflegekräfte haben die 2. und 3. Pandemiewelle (Herbst 2020 bis Frühjahr 2021) als große Belastungen erlebt. Das Aufkommen an COVID-19-Betroffenen sei immens gewesen. Trotz Vorbereitungen habe es an Wissen gemangelt, wie mit den konkreten Herausforderungen umzugehen sei.

"Die Situation auf unserer Station war schlimmer als in den Medien berichtet wurde."
– Teamleitung

Zu dieser Zeit durften weder Besucherinnen und Besucher noch das Personal der Hauswirtschaft, Physiotherapeutinnen und -therapeuten oder Bestatterinnen und Bestatter die Station betreten. Das Pflegepersonal musste die zusätzlich anfallenden, oft pflegefremden Aufgaben übernehmen – bei sehr dünner Personaldecke. Hinzu kam der sich rasant verschlechternde Gesundheitszustand der COVID-19-Infizierten. Dies erforderte schnelles Handeln des Pflegepersonals. Dadurch sei es schwer gewesen, die Versorgung aller Patientinnen und Patienten wie gefordert sicherzustellen. An manchen Tagen habe man lediglich "Schadensbegrenzung" betreiben können.

"Da ist vieles abgelaufen, da darf man gar nicht darüber nachdenken … Mache ich auch besser nicht."
– Pflegekraft

Phasenweise seien laut Teamleitung täglich drei Betroffene verstorben. Für Angehörige habe es keine Möglichkeit gegeben, sich zu verabschieden. Außerhalb einer Pandemie hole ein Bestattungsunternehmen verstorbene Patientinnen und Patienten ab. In der 2. und 3. Welle musste auch diese Aufgabe von den Pflegekräften übernommen werden. Die Verstorbenen wurden eigenhändig in einen schwarzen Plastiksack gehüllt und dann auf einen Wagen zum Abtransport gelegt, der erneut in Plastik eingewickelt wurde. Dieser Vorgang wurde als größte Last für die Pflegekräfte beschrieben. Diese haben das Vorgehen dem Verstorbenen gegenüber als würdelos empfunden: "wie in einen Müllsack packen".

Weitere Herausforderungen und ergriffene Maßnahmen

Auch die Infektionsschutzmaßnahme des "social distancing", z. B. während der Pausen, habe das Team als besonders belastend erlebt. Der zwischenmenschliche Austausch unter den Pflegekräften sei wichtig, um das Erlebte zu verarbeiten:

"Man nimmt uns das, was uns am Leben hält."
– Teamleitung

Neben diesen Anforderungen wurde des Weiteren als herausfordernd beschrieben:

  • häufige Änderungen der medizinischen Versorgung der COVID-19-Betroffenen
  • aufwändigere Krankenhausentlassung von COVID-19-Betroffenen (z. B. Bestellen eines COVID-19-Taxis, Klärung der Isolation in der Privatwohnung)
  • ständiges Tragen und häufiges Wechseln der persönlichen Schutzkleidung
  • Hitzebelastung durch die persönliche Schutzkleidung bei hohen Temperaturen

Einrichtungsleitung, medizinisches Personal und Pflegeteam nahmen fortwährend arbeitsorganisatorische Umgestaltungen vor, um sich an neue Anforderungen anzupassen. Viele Ideen kamen dabei von dem Team aus Pflegekräften, Ärztinnen und Ärzten. Ein Beispiel hierfür ist das wöchentliche Treffen der "COVID-19-Taskforce". Hier kommen alle Pflegekräfte, behandelnden Ärztinnen und Ärzte sowie die Bereichsleitung der Pneumologie zusammen, um die medizinische Behandlung der Betroffenen zu besprechen. Die Kommunikation miteinander, so meine Gesprächspartnerinnen, finde auf Augenhöhe statt und werde von allen Beteiligten als sehr wichtig empfunden, da Pflegekräfte am meisten über die Abläufe und alltäglichen Herausforderungen wüssten. Die Teamleitung sei froh gewesen, dass die Klinikleitung ihrem Team und ihr viel Handlungsspielraum gegeben habe. Gleichzeitig sei dem Team aber auch wenig Unterstützung (z. B. in Form von Supervision) zuteil geworden.

Personalsituation

Um mit den hohen Patientinnen- und Patientenzahlen umzugehen, hat die Einrichtung ab Herbst 2020 fachfremdes externes Personal angefordert. Von diesem Personal seien viele wieder gegangen, manche sind jedoch nach wie vor Teil des Pflegeteams der Isolierstation. Das Team sei dennoch von einer hohen Fluktuation gekennzeichnet. Die Einrichtungsleitung habe der Isolierstation mittlerweile Priorität eingeräumt: Werde dort Personal aus dem hausinternen Personalpool gebraucht, seien andere Stationen im Haus verpflichtet, Personal zu stellen. Die Arbeit auf der COVID-19-Isolierstation sei bei den anderen Pflegekräften jedoch nicht beliebt. Die Teamleitung sieht die neuen, anderen Arbeitsaufgaben und die höhere Arbeitslast als einen Teil der Gründe.

Insgesamt konnte das Team dennoch seit Mai 2020 vergrößert werden. Die Teamgröße wird im Haus nun als ausreichend eingeschätzt. Dennoch komme es weiterhin zu sehr kurzfristigen Dienstplanänderungen, oder Erholungszeiten könnten nicht eingehalten werden (z. B. Arbeit an sechs Wochenenden in Folge).

"Das Pflegepersonal ist der Schlüssel. Mit ausreichend Personal ist alles zu schaffen."
– Teamleitung

Gesundheitszustand des Personals

Die Arbeit auf der COVID-19-Station wird von den Pflegekräften als sicher empfunden: Soweit dies beurteilt werden könne, habe sich niemand bei der Arbeit mit dem Virus infiziert. Erst im Januar 2022 seien überhaupt die ersten Mitarbeitenden positiv getestet worden. Die Erkrankung gehe nun aber mit langen Ausfallzeiten der Pflegekräfte einher. Die Teamleitung sieht einen Zusammenhang zwischen diesen langen Regenerationszeiten und der psychischen und physischen Belastung der vergangenen Jahre.

Nach dem Ende der 3. Welle fiel es dem Pflegeteam schwer, in einen normaleren Arbeitsalltag überzugehen. Die psychische Belastung des Erlebten sei zu dieser Zeit besonders deutlich geworden. Während der gesamten Pandemiezeit habe das Team jedoch keine psychologischen Unterstützungsmaßnahmen erhalten. Die Teamleitung äußerte mir gegenüber, es sei auch nicht bekannt, wie das Team die Erlebnisse verarbeite. Sie vermute, dass vor allem das junge Personal Unterstützung brauche. Gleichzeitig herrscht die Sorge vor, dass Unterstützungsangebote aus Angst vor Stigmatisierung nicht in Anspruch genommen würden.

Wünsche und Zukunftsperspektive

Aufgrund des ungewissen Pandemieverlaufs bleibt die COVID-19-Isolierstation bis auf weiteres bestehen. Das Pflegeteam wünscht sich freie Arbeitszeit, um das Erlebte zu verarbeiten. Auch hierzu haben die Pflegekräfte Ideen: z. B. könnten durch mehr Personal der einzelnen Pflegekraft auch einmal ruhigere Dienste ermöglicht werden. Zudem werden in den Wintermonaten viele Überstunden angehäuft, die im Sommer durch freie Tage abgebaut werden könnten.

Auch wenn die Pflegekräfte auf mich einen starken, belastungsfähigen Eindruck gemacht haben, kann ich mir nur schwer vorstellen, dass das Erlebte keine Spuren hinterlassen hat. Die vom Pflegeteam formulierten Wünsche würden Möglichkeiten für die dringend nötige psychische und physische Regeneration sowie die Verarbeitung der vergangenen Jahre schaffen.

Wie trägt die BAuA dazu bei, die Arbeitssituation der Pflegenden in Krisenzeiten zu verbessern?

Seit dem Beginn der COVID-19-Pandemie Anfang 2020 wurde und wird das Krankenhauspersonal in Deutschland immer wieder gefordert und durchlebte bereits sechs Pandemiewellen. Stationäre Pflegeeinrichtungen versuchen seit Pandemiebeginn, die Arbeitssituation ihrer Pflegekräfte zu optimieren und den pandemieassoziierten Belastungen in der Arbeit mit organisatorischen Maßnahmen entgegenzuwirken.

Seit Januar 2022 widmen wir uns in der BAuA diesem Thema. Im Forschungsprojekt wird zunächst ein systematisches Review sowie eine Interviewstudie in Krankenhäusern und Pflegeheimen durchgeführt. Bei der Konzeption Letzterer war die Hospitation wegweisend. Danach schließt sich eine schriftliche Befragung zum Gesundheitszustand der Pflegekräfte an – Ziel: zusammentragen, welche Maßnahmen geholfen haben, mit den Herausforderungen durch COVID-19 umzugehen.

Die gewonnenen Ergebnisse sollen zeitnah in Form von Fachtagungen, Veranstaltungen wie z. B. dem Dresdner Treff der BAuA sowie wissenschaftlichen Veröffentlichungen in die Praxis zurückgespielt werden. Die Einrichtungen können somit eigenständig erfolgreiche Maßnahmen umsetzen und adäquat auf kommende Herausforderungen reagieren.

Zitiervorschlag

Zink, Maria, 2023. Zu Besuch auf einer COVID-19-Isolierstation. Eindrücke aus dem Arbeitsalltag von Pflegekräften in der Pandemie. In: Neues aus den Projekten [online]. Dortmund: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Verfügbar unter: https://www.baua.de/DE/Forschung/Projektblogs/Neues-aus-den-Projekten-Blog/Artikel/COVID-19-Isolierstation-Blog.html

Forschungsprojekt